Anmerkungen zu Turangalila

Vertraut man den Berichten zahlreicher Konzertbesucher einer Aufführung der Turangalilasinfonie, so hat diese zunächst ungewohnt zu hörende Musik die Kraft ein Publikum trotz der Auführungsdauer von 80 Minuten restlos in seinen Bann zuschlagen. Man darf nicht vergessen, dass es sich hier um neue Musik handelt, die so radikal mit vielen Hörkonventionen bricht und gerade beim erstmaligen Hören hrausfordert. Ich glaube aber, dass schon einige kurze Schlüsselmomente reichen können, ihnen die Tür in diese Welt zu öffnen. Entschuldigen Sie bitte die Subjektivität meiner Darstellung, objektive Informationen finden sie in unserer kleinen Broschüre.

Ein Schlüssel ist das Instrument der Ondes Martenot. Dieses Instrument ist in seiner klanglich ätherischen Andersartigkeit das Sinnbild für die übernatürlich singende Gottheit, Messiaens war ein sehr spiritueller Mensch, der die Ganzheit des Daseins in der Einflechtung dieser göttlichen Stimme in jeden Aspekt unseres Lebens symbolisiert hat. Das Stück ist also eine Darstellung von verschiedenen Aspekte von Liebe, der Liebe zu Gott, der Liebe zu einem Menschen, dem Gewahrsein von Liebe in allen Dingen dieser Welt.

Und so bin ich bei Schlüsselmoment zwei: “Turanga” Sanskrit und bedeutet Zeit, Bewegung, Rhythmus; “Lila” steht für Spiel, Werden, Entstehen und Vergehen, Leben und Tod. Messiaen stellt uns in seiner Musik das unabänderliche Kontinuum der Zeit dar, darüber hören wir gleichsam die menschlichen Versuche der Zeit zu entgehen. Turanga und Lila liegen gleichsam wie zwei Bewusstseinsebenen übereinader.

Und so zu Schlüsselmoment drei. Die Franzosen hassen die Deutschen, das spiegelt sich auch in der ausgeprägten Antipathie der französischen Komponisten gegenüber der Gattung der Symphonie der österreichisch-deutschen Prägung durch Haydn, Mozart und Beethoven wider. Franck, Debussy, Berlioz und dann Messiaen setzen der übermächtigen Dominanz Beethoven eine eigene Idee von musikalischer Form entgegen. Bei Messiaen sind drei zentrale Motive, die sich nicht hundertprozentig aufschlüsseln und erklären lassen, die aber das Werk fassbar machen. Das Statuenmotiv, welches sie in den Blechbläser schon gleich zu Beginn deutlich wahrnehmen werden steht für das männliche Element, für eine unveränderliche erratische Kraft, die beiden Klarinetten stellen im gesamten Werk das zarte und delikate, weich geschwungene Blumenmotiv vor, welches für Messiaen Weiblichkeit symbolisiert. Und es gibt das Liebesthema, welche sie ebenfalls sofort erkennen werden, das es einen typischen Hollywoodsound vorwegnimmt.

Diese Motive stellen das Leben als eine ganzheitliche Entwicklung im Glauben an eine übergeordnete Instanz dar. Zum Hören ist es für mich wichtig gewesen, die schrillen Klänge nahezu der hektischen Aussenwelt zuzuorden und sich einer Meditation ähnlich dem zugrundeliegenden Prinzip des unendlichen Zeitstroms (Schlagzeugpassagen) anzuvertrauen. Wenn man versucht, dieser Musik durch analytischen Durchdringen beizukommen, werden sie an der Masse der Eindrücke scheitern, für mich ist diese Musik gleichsam eine bildhafte Darstellung einer musikalischen Meditation, zu der ich sie nun eingebetet in originär indische Musik einladen möchte. Das es dem westlichen Hörer ebenso unmöglich ist eine Meditation gleich über mehrere Stunden durchzuführen, machen nach dem fünften Satz eine Pause.