Lüneburger Symphoniker: Ohne Radetzky geht es nicht

Landeszeitung Lüneburg 4. Januar 2017

Lüneburg. Das berühmteste aller Neujahrskonzerte spielen zugegeben nicht die Lüneburger Sympho-, sondern die Wiener Philharmoniker. Die hatten aber einst einen ganz miesen Start: Das erste Konzert gaben sie, ist zu lesen, 1939 im Kontext Goebbelscher Propaganda. Wie gut, dass Konzerte zum neuen Jahr heute so ziemlich die fröhlichsten sind, die eine freie Gesellschaft erleben kann. Das Publikum, das sonst am liebsten Karten für Altbekanntes bucht, freut sich beim Neujahrskonzert auf eine Wundertüte. Das Programm wird nicht verraten, ausverkauft ist das Konzert trotzdem im Handumdrehen – und nur eines ist klar: Als Rausschmeißer muss es „datadám datadám datadám damdám“ sein, der Marsch für Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz.

Mal klassisch Operette,mal Rhythmen aus Südamerika

Zuerst aber ist zum Konzert der Symphoniker zu sagen, dass die rund 40 Musiker ausgesprochen ausgeschlafen zu Werke gingen. Das ist nicht selbstverständlich, hatten sie doch am Vorabend Vorstellung und dann war ja irgendwie auch Silvester zu feiern. Nun sorgten die Musiker für zwei und eine halbe Stunde Musik – durchgängig auf erfreulichem Niveau, ob sie nun Slawische oder Ungarische Tänze von Brahms oder Dvorak feierten oder Klänge spielten, die aus einer Zeit zu stammen scheinen, als das Tanzorchester ohne Namen die Radiowellen beherrschte. Da wurde zur „Mondnacht auf der Alster“ gewalzert, ein Stück vom nun doch so gut wie vergessenen Oscar Fetrás.

Dirigent und Programmmacher Thomas Dorsch stellte alles, was tänzerisch ist, ins Zentrum. Das konnte operettig sein wie bei den „Ballsirenen“ von Lehár, die einige zum Mitsummen verführten. Die Reise führte aber auch nach Südamerika und bekam gefühlvolle, sensible Klänge, die allen voran Geiger Markus Menke bei Astor Piazzollas „Oblivion“ singen ließ. Feurig und mitreißend dagegen „Tico Tico“. Da ging Thomas Dorsch beim Dirigieren mal wieder in die Knie, um dann umso explosiver seine Musiker anzufeuern.

Stars, von denen man noch viel hören werde, will Dorsch bei den Neujahrskonzerten präsentieren. Jubel löste eine Sängerin aus, die schon als Desdemona in „Otello“ gefeiert wurde. Die dänische Sopranistin Signe Heiberg wird ab 1. April im T.NT ein „Feuerwerk“ abbrennen, und sie wird dem Theater über die Spielzeit hinaus erhalten bleiben. Mit dem Czardas „Klänge der Heimat“ aus der „Fledermaus“, einer Mozart-Arie und einem Johann-Strauß-Lied zeigte Heiberg ihr gewaltiges Potenzial: große Stimme, Bandbreite, Farbigkeit und leidenschaftlicher Ton.

Zwei weitere Stars: Der eine ist ein altgedienter Steinway-Flügel, der aufpoliert den Sprung vom Proberaum auf die Bühne schaffte. Auf dem Weg zum Star ist die junge Pianistin Caterina Grewe, zuletzt beim Meisterkonzert im Mai 2016 zu Gast. Sie holte alles aus dem Instrument heraus, mit großer Geste, beherztem Anschlag und Sinn für farbigen Klang. Die Burleske in d-Moll von Richard Strauss ist kein Stück, das die Welt braucht, aber es fordert enorme virtuose Fertigkeiten, lässt den Klavierklang in langen Läufen tanzen – und ist dann doch am schönsten, wenn es zur sanften Zwiesprache zwischen Klavier und Solopauke (Gary Whiton) kommt.

Großer Beifall für die Solisten, die Musiker, den gut gelaunt moderierenden Dirigenten bis hin zum finalen Klatschmarsch. Das Konzert wird wiederholt. Und es ist an dieser Stelle genügend nicht genannt worden, sodass etwas Wundertüten-Charakter auch am Freitag, 6. Januar, um 20 Uhr im Theater erhalten bleibt. Es gibt noch einige Karten!

Von Hans-Martin Koch