Russische Seele – Meisterkonzert mit dem Braunschweiger Staatsorchester

hjr  Lüneburg.

Paganini und die Nachwelt: Kaum ein Künstler wirkte nachhaltiger, beflügelte Komponisten und Regisseure bis heute. Die Mischung aus brillanter Spieltechnik, schillernder Biografie und Legende wurde in einer Operette verewigt und gerade wieder verfilmt. Zwei Werke des jüngsten Meisterkonzerts mit dem Braunschweiger Staatsorchester nahmen im voll besetzten Lüneburger Theater die Spur zu dem 1782 in Genua geborenen Italiener auf. Sergej Rachmaninoff mit seiner Rhapsodie und der Pole Witold Lutoslawsky mit den Variationen über ein populäres Paganini-Thema setzten dem virtuosen Geiger ein musikalisches Denkmal.
Der Auftakt geriet süffig, klangsatt und volkstümlich mit Michael Glinkas kurzer, melodienseliger Ouvertüre zur Oper “Ruslan und Ludmilla”. Für das Orchester bedeutete das Stück eine eher leichte Übung. Ein Warming Up, das Lüneburgs Chefsinfoniker Thomas Dorsch mit Schwung in Wallung brachte.
Russische Seele in Notenverpackung erschien vielen Musikexperten lange als reichlich suspekt. Sie wähnten hinter den Partituren lediglich aufgeputzte Folklore. Auch Rachmaninoff (1873-1943) stand diesbezüglich unter Generalverdacht. Seine Rhapsodie auf ein Thema von Paganini greift zwar beherzt das Original auf, grundiert es slawisch, führt die Ingredienzen aber auf hohem künstlerischen Niveau aus, schafft dem Klaviersolo bewegende Momente, sorgt für halsbrecherisches Tempo. Die junge, mehrfach mit Preisen bedachte Pianistin Magdalena Müllerperth war der schwierigen Aufgabe bestens gewachsen, ließ den Ton prächtig funkeln und Feuer sprühen.
Knapp 30 Jahre nach Rachmaninoff bearbeitete Witold Lutoslawsky (1913-1994) das identische Thema von Paganini erneut mit einem Klavier im Zentrum. Es blitzt weiterhin vielfältig auf, doch wird der Klang aggressiver, zarter und wuchtiger zugleich, auch dissonanter. Das Tempo sprintet häufig, das Motiv zerklüftet sich. Magdalena Müllerperth, die Braunschweiger Instrumentalisten und Thomas Dorsch brachten jede Facette eindrucksvoll zur Geltung.
Als psychisch-emotionale Reflexion bezeichnete Peter Tschaikowsky seine beliebte Symphonie Nr. 4. Das Kolorit ist eindeutig russisch, schwankt zwischen Melancholie und Euphorie. Der Dirigent legte viel Wert auf Transparenz, vermied oberflächliches Pathos und schalen Glanz, lotete mit dem Staatsorchester die Kontraste aus, markierte Abgründe und Steigerungen: eine bestechende, analytisch kluge und nuancierte Wiedergabe. Der Applaus am Ende war rekordverdächtig.

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