Auf den Spuren von Aloysia

23. Dezember 2013

oc Lüneburg.

Oft sind es die kleinen, auch die leisen Dinge, die von einem Konzert hängenbleiben. Ein wunderschön weich und porzellanfein geformtes Pianissimo in einem langsamen Mozart-Satz zum Beispiel, wie es Thomas Dorsch und die an diesem Abend wieder von Lüneburger Symphonikern zur Norddeutschen Kammerakademie mutierten Musiker zelebrieren. Aber auch ein amüsanter Versprecher, mit dem Thomas Dorsch die “notte natale” zur fatalen macht, und ein “momento fatale”, der Ruth Fiedler unterläuft, als sie einen schon unmenschlichen Spitzenton nicht erwischt. Den schrieb Mozart der geliebten, dann geschmähten, aber weiter mit Musik bedachten Aloysia Weber auf die Stimmbänder, und diese Aloysia gab dem gut besuchten Weihnachtskonzert im Theater den Namen.
Mozart war für Aloysia entflammt, wurde zurückgewiesen, und etikettierte die vergeblich Umschwärmte zeitweise um in “eine falsche, schlecht denkende Personn, und eine Coquotte”. Der Komponist heiratete bekanntlich die Schwester, aber musikalisch kam man sich wieder näher. Die Konzertarien, die Mozart für Aloysia schrieb, sind zwar immer theaterbezogen gedacht, etwa als Einlagen für Opern anderer, aber zugleich fordern sie artistischen Gesang mit brutalstmöglichen Sprüngen und Koloraturen, die sich halsbrecherisch in schwindelnde Höhen schrauben. Ruth Fiedler besitzt das Format, diese Sachen zu singen. Traumhaft kann der warme Klang ihrer Stimme mit dem des Orchesters verschmelzen, um dann herausleuchten. Fiedler besitzt eine in jeder Lage tragfähige Stimme und eine großartige Technik, um über infamste Notenschnörkel sauber zu gleiten. Nur in der spitzesten Spitze, wo diese Arien Akrobatik statt Wohlklang fordern, verliert ihr Klang an Wärme. Brillant bleibt der Vortrag dennoch, und mit “O zittre nicht” macht Fiedler klar, dass Lüneburg zum Spielzeitende eine wunderbare Königin der Nacht erleben wird.
Aber nun ist Weihnachten dran: Die Musiker feiern, der Leiter am Cembalo, mit Arcangelo Corellis Concerto Grosso “fatto per la notte di natale”, mit federndem Geigenklang, im Stehen gespielt. Wie beweglich der Klang des Orchesters sein kann, hat schon zum Start die rasante “Ankunft der Königin von Saba” – ein Stück aus dem Händel-Imperium – gezeigt.
Thomas Dorsch moderiert das Konzert, gibt viele Hinweise auf das Ziel, die Musik der spätbarocken Zeit bis zur Vorromantik dem Originalklang anzunähern. Für diese Epoche passt die Größe des Orchesters ideal, es muss sich aber Neuem öffnen. Ein Beispiel gibt Ivan Yefimov: Er kommt kurz nach vorn, verdeutlicht den Klangunterschied zwischen Ventil- und Naturhorn, bevor er zum Tönestopfen auf seinen Platz zurückkehrt. Thomas Korr spielt mit traumhaft warmen Klang und großer Ruhe das berühmte Adagio aus Mozarts Klarinettenkonzert, und das Finale gehört Mozarts Sinfonie Nr. 29. Hier sorgt Thomas Dorsch erneut für eine ungemein farbenreiche, präzise, in jedem Moment transparente Wiedergabe. Das ist großartig gearbeitet und beweist zugleich, wie engagiert die Musiker dem Dirigenten auf dem Weg zu frischen, aus dem Originalen schöpfenden Klängen folgen. Der Beifall ist groß.