NWZ, OLDENBURG, 18. Juni 2012
8. Sinfoniekonzert des Oldenburgischen Staatsorchesters im Großen Haus
VON HORST HOLLMANN
OLDENBURG- Dieses Programm ist vordergründig kein Quotenrenner. Doch
es bringt allen Gewinn, die sich im 8. Sinfoniekonzert im Großen Haus auf
Leos Janacek, Krzysztof Penderecki und Felix Woyrsch einlassen- und auf
das, was Thomas Dorsch und das Staatsorchester den Partituren an
üppigen Farben, fein getupften Schattierungen, an der Robustheit
tragender Verbindungen und an emotionalem Aufruhr abgewinnen.
Woyrsch war einer jener großen konservativen Meister hinter den
Giganten. Wenn die Oldenburger die vor 100 Jahren entstandene 2.
Sinfonie C-Dur op. 60 zelebrieren, versteht man den einstigen Glauben,
dass eine Welt von gestern noch zu bewahren sei.
Weiträumig wirkt bei Woyrsch die Konstruktion. Sie steht da wie ein Möbel,
das kein solides Wohnzimmer verschandelt. Emotionen verbreiten die vier
Sätze reichlich. Eine enorme Dichte entsteht, wenn die großen
Entwicklungen wie bei den romantischen Vorbildern jäh abbrechen, aus
der Leere heraus sich aber neu eine treibende Wucht anfacht. Straff nimmt
das Orchester die Tempi, wohl disponierte Steigerungen führen zu
Fortissimi, die nie dröhnen. So bleibt ein Gefühl für die Größe dieser Musik.
Janaceks Sprache greift tiefer. Auch er löchert die Tonalität nicht, aber
seine auf Naturklang und unerschöpfliche Fantasie bauenden Werke
fesseln durch gewaltige Expressivität. In den drei Sätzen zu Gogols
blutrünstiger und pathetischer Dichtung “Taras Bulba” von 1918 gelingen
raffiniertes Rubatospiel und feinsinnig Detailzeichnungen (Violine: Lev
Gelbard, Oboe: Yumiko Kajikawa).
Penderecki hat nach aufregenden Innovationen einem abgeschliffenen
Altersstil Platz gegeben. Sein quickes Flötenkonzert von 1992 findet in Lo?
ic Schneider einen mitreißenden Fürsprecher. Ihm wird das solistisch
aufgefächerte Staatsorchester (Klarinette: Antonia Lorenz) zum
großartigen Partner. Die Flöte verlässt selten den traditionellen
Ausdrucksbereich. In diesem Rahmen ist der französische ARD-Preisträger
ein genialer Gestalter blitzblanker, aber nie steril glatter Töne.
In zwei Jahren unter Dorsch als Musikalischem Oberleiter haben sich
Präzision und Klangkultur im Orchester deutlich entwickelt. Das verdient
bei dieser Zwitterstellung zwischen einem Generalmusikdirektor und einem
Kapellmeister hohe Anerkennung. Über alle heterogene Gruppenbildungen
hinaus hebt ein großes Wir ein Orchester auf eine besondere Ebene. Das
ist die Herausforderung für das neue Duo Roger Epple/Thomas Dorsch.