Stella muss ihren Weg finden – T.3: Premiere für die Kinderoper „Sterntaler und Rabenhexe”

Lüneburg.
Mit Stella meint es das Leben nicht gut: Mutter tot, Vater fort. Sie schuftet bei lieblosen Stiefeltern, wird geschlagen und bald sogar verstoßen. Ein Bettler schwatzt ihr das letzte Brot ab, eine wacklige Alte die Jacke. Und dann sind da diese sieben unheimlichen schwarzen Raben, die um sie herumflattern. Was wollen sie, was bedeuten sie? Stella aber ist ein Mädchen, das mit Mut -und auch mal mit Wut gegen ihre Angst angeht. Das kann am Ende nur gut ausgehen, zumal die ganze Sache als Märchen gebaut ist und als Oper für Kinder: „Sterntaler und Rabenhexe” wurde gestern im T.3 des Theaters uraufgeführt – vor sachverständigem Publikum, also vor Kindern. Die trommelten nach gut einer Stunde ordentlich Zustimmung.
Friedrich von Mansberg hat aus zwei Grimmschen Märchen – „Sterntaler” und „Die sieben Raben” – eins gemacht, mit Unterstützung der Klasse 4b aus der Grundschule Hasenburger Berg. Die fanden beide Vorlagen gleich gut, also wurden sie zusammengeführt. Anderthalb Jahre haben sich Schüler, Lehrerin Susann Sander, von Mansberg und Musikdirektor Thomas Dorsch immer wieder zusammengesetzt. Wie ist das mit Märchen, was soll Oper sein, was muss passieren, dass es das auch wirklich ist? Sie haben viel debattiert, nun ist die Sache auf der Bühne.
Mehrere von Barbara Bloch passend entworfene Schauplätze werden zeitweise parallel bespielt. Links lassen sich die fiesen Stiefeltern von Stella bedienen, rechts führt eine Rampe rauf ins Reich der Rabenhexe. Zwei Welten, die die Welt nicht braucht, aber so ist sie nun mal, diese Welt. Dort oben bei der Rabenhexe ist es duster, Schwaden von Nebel ziehen auf. Die, Welt also ist nicht immer beglückend, aber sie ist veränderbar. Stella wird einen Weg finden, und weil es ein Märchen ist, wird ein Kind, sozusagen das innere Kind in Stella, die Richtung zeigen, in die sie gehen muss. Und da belohnt wird, wer Gutes tut, wird es 777 blinkende Münzen regnen, was sehr gut ist für Stella und auch für die sieben Raben.
Thomas Dorsch hat die Musik geschrieben, und die macht keine Kompromisse mit Hörgewohnheiten. Es klingt eindeutig nach Oper. Es gibt keine Weichzeichnerei, keine Melodien, die sich ins Ohr bohren. Die Musik ist nicht gemütlich, sie unterstreicht die innere Dramatik Stellas und die äußere, in die sie gerät. Die Partie baut sich kleinteilig auf, ist sehr dynamisch, quirlig und expressiv, sie knüpft an Klänge des (frühen) 20. Jahrhunderts an. Die Arien sind anspruchsvoll, auch die Partitur für die neun Musiker, die ein großes Spektrum an Klangfarben ausbreiten, besonders setzen die Bläser Akzente. Das ist eindrucksvoll.
Friedrich von Mansberg inszeniert die Geschichte klar, nicht überdeutlich, die Moral von der Geschicht’ kommt nicht mit dickem Zeigefinger daher. Die Sache ist nicht vorwiegend heiter, das Publikum wird ernst genommen. Der Ernst von Stellas Lage bleibt jederzeit spürbar, was natürlich besonders an Sarah Hanikel liegt, die nicht mir wunderbar singt, sondern auch einen glaubwürdigen Charakter darstellt. Sie zeigt vor allem, dass auch die Mutigen Angst haben und die Ängstlichen Mut. Dass es Momente gibt, gerade am Beginn, in denen die Verständlichkeit noch gewinnen kann, das mag schnell verbesserbar sein.
Das Kind, das Stella hilft und begleitet, wird klar, hell und dabei locker von Laurenz Voss gesungen und gespielt, alternierend von Jona Hoek. Kirsten Patt und Timo Rößner sind als kaltherzige Stiefeltern sehr präsent, Signe Ravn Heiberg gefällt als Rabenhexe, die hysterisch lachen kann, dass es in den Ohren klingelt. Alles aber wäre nix ohne die flatternden Raben, die Heidrun Kugel .aus dem TanzJugendClub rekrutiert und fast zum Fliegen bringt. – Ende gut, alles gut.
H.-M. Koch

Landeszeitung Lueneburg 16.4.2016 Premierenkritik Sterntaler und Rabenhexe