Demokratie in der Musik – Meisterkonzert mit den Lüneburger Symphonikern

Landeszeitung Lüneburg 5.4.2016

Die Wiener Klassik stehe für einen architektonisch vollendeten, harmonischen Stil und eine Stilepoche der Musikgeschichte zwischen Barock und Romantik, in der Hauptsache vertreten durch Haydn, Mozart und Beethoven. Klassizismus aber, so erläuterte Musikdirektor Thomas Dorsch das Programm des Meisterkonzerts mit den Lüneburger Symphonikern, sei in der Musik weniger eine Epochenbezeichnung als vielmehr eine Art, kontextbezogen zu komponieren. Praktizierter Klassizismus sei bei nahezu allen Tonsetzern zu finden, die die Werke ihrer Vorgänger studierten und deren Merkmale in ihre eigenen Studien einarbeiteten und stilverändernd umformten. Das tat Schubert mit Mozart, taten die Neoklassizisten Frank Martin und Strawinsky. Werke jener Komponisten hatte Dorsch auf das Programm gesetzt, um beispielhaft Aspekte des Musik-Klassizismus zu zeigen. Neben dem Motto „Klasszismus” prägte das Konzert ein weiterer, „heimlicher” Untertitel: „Demokratie in der Musik”, für Dorsch ein sehr wichtiges Thema, auch die Symphoniker betreffend. Der Dirigent hatte seine „Machtzeichen” abgegeben, kein Podest aufbauen lassen, nutzte keinen Dirigierstab, sondern reihte sich ein in die Musizierenden. Für das erste Stück des Abends wurden Manfred Seer (Flöte), Andreas Bollwinkel (Oboe), Thomas Korr (Klarinette), Benedikt Manemann (Fagott), Ivan Yefimov (Horn), Rita Arkenau-Sanden (Trompete) sowie Steffen Happel (Posaune) vorgestellt, ebenso Solo Paukist Gary Whiton. Frank Martins rhythmisch komplexes, quicklebendiges „Concerto für 7 Bläser” (1949) mixt tonales Material mit Schönbergs Zwölftontechnik – auf teils humoristische und klanglich deutlich eigene Art. Das Soloteam meisterte das mit bravouröser Virtuosität. In sensiblem Diskurs mit Streichern und erweitertem Humor und Witz verband sich die neoklassizistische Musik Martins mit der Strawinskys, der ebenfalls weniger Gefühle (außer Freude) hervorrufen wollte, als vielmehr die Strukturen und Klangeffekte an sich wirken lassen wollte. Vor der Pause und zum Finale dirigierte Dorsch zwei „klassische” Sinfonien: Zunächst die die 3. Sinfonie des 18-jährigen Schubert, der Einflüsse vor allem Mozarts schon in Richtung Romantik umzudeuten verstand. Mozart 1788 vollendete Sinfonie Nr. 39 entwickelt Haydns Idee einer hoheitsvollen Einleitung, die mit Klangflächen über einem Orgelpunkt einhergeht, gefolgt von typisch Mozartischem wie Kontrastreichtum, Dialogisierung oder enormer Motivvielfalt. Den Schlusssatz ließ Dorsch noch einmal ordentlich tanzen und teils fast jahrmarktartig im Prestissimo rumoren. Das Publikum im sehr gut besuchten Theater spendete enthusiastisch Beifall.